einzellfallhilfe
Arbeitsbericht
zur Eingliederungshilfe gemäß §
Name des Klienten: Mark Müller
Geburtsdatum: 01.06.1971
Anschrift: Petersburger Straße 68, 10249 Berlin
Aktenzeichen: Soz. 1408 Mü 010671
Hilfebeginn: 01.12.2017
aktueller Bewilligungszeitraum: 01.12.2017-30.04.2018
vereinbarter Stundenumfang: 5 Wochenstunden Zuständig beim Sozialamt: Frau Görn, Soz 1408
Zuständige Fachkraft für die Hilfe:
Martin v. Elm Wrangelstraße 64 10997 Berlin
Kontakt: martinvonelm@online.de, tel. 0179 674 18 58
Berlin, den 25.03.2018
Herr Müller bekommt seit seiner Entlassung aus der Psychiatrie am Urban, seit dem 01.12.2017 Einzelfallhilfe durch mich. Herr Müller war dort mit der Diagnose paranoide Schizophrenie und drohender Fremdgefährdung insgesamt dreizehn Monate stationär behandelt wurden.
Dies war nicht sein erster Aufenthalt in der Psychiatrie.
Herr Müller bezieht nach einigen Monaten Grundsicherungsbezug nun wieder ALG II Geld für den Lebensunterhalt.
Im Moment findet die Hilfe im Regelfall an zwei Terminen in der Woche mit insgesamt fünf Wochenstunden statt. Die Termine wurden nach gemeinsamer Festlegung ausnahmslos verbindlich von Herr Müller eingehalten und nur krankheitsbedingt einmal abgesagt.
Die Ziele der Hilfe sind psychische Stabilisierung im Alltag, beratende und tätige Unterstützung bei der Regelung von notwendigen organisatorischen Angelegenheiten und Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung einer tragfähigen Zukunftsperspektive.
Verlauf der Hilfe:
Herr Müller und ich kannten uns bereits aus einer längeren Phase regelmäßiger Besuche einer anderen Klientin durch mich in der Psychiatrie, bei denen ich ihn zufällig kennen gelernt hatte.
Diese Besuche hatte ich dann aus Sympathie über ein paar Monate ehrenamtlich fortgeführt, da sich Herr Müller mir spontan geöffnet hatte und Vertrauen zu mir gewonnen hatte. Ich fühlte mich dadurch menschlich verpflichtet und muss auch sagen, dass ich die Gespräche mit ihm immer interessant fand und genossen habe.
Es bestand folglich von Anfang an ein gutes Verhältnis und die Hilfe war, in etwa bis Weihnachten 2017, davon geprägt, Herr Müller seelisch zu stärken, ihm zu helfen seine materiellen Verhältnisse zu ordnen (z.B. Mietschuldenproblem zu bearbeiten), die durch die Monate der Passivität in der Psychiatrie teilweise im argen lagen und ihm zu helfen mit seinen Ängsten zurecht zu kommen.
Herr Müller erzählt, dass es nach den vorigen Aufenthalten in der Psychiatrie für ihn noch viel härter und schlimmer gewesen wäre, sich wieder der äußeren Wirklichkeit mit ihren Anforderungen zu stellen und dass er diesmal, durch meine Begleitung, ein deutlich besseres Gefühl und weniger Ängste habe. Trotzdem waren die Ängste teilweise sehr ausgeprägt. In der ersten Zeit fühlte sich Herr Müller komplett unfähig überhaupt Briefe zu öffnen oder sogar den Briefkasten zu leeren oder gar sein Bankkonto zu überprüfen. Es gab Ängste vor den möglichen Inhalten der Briefe, vor existentieller Bedrohung durch etwaige finanzielle Forderungen, Ängste vor Schreiben des Vermieters, Ängste vor Aufforderungen des Jobcenters zur Arbeitsaufnahme, Ängste vor Schreiben der Staatsanwaltschaft und weiterer Verfolgung durch die Justiz (nicht völlig unrealistisch, da noch mindestens ein Verfahren zu dem Zeitpunkt noch nicht niedergeschlagen worden war) sowie eine Art generalisierte Angst vor den Anforderungen des gesellschaftlichen Systems, denen sich Herr Müller noch überhaupt nicht gewachsen fühlte.

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Zusätzlich zu dieser Angst wurde Herr Müller von Energielosigkeit, Schlafstörungen, Alpträumen und einer ausgeprägten körperlichen Schwäche heimgesucht. Während die körperliche Schwäche sicher auch etwas mit der fehlenden Aktivierung während des Aufenthalts in der Psychiatrie und dem ewigen Herumliegen in Verbindung mit starkem Tabakkonsum zu tun hatte, waren die Symptome doch insgesamt so stark ausgeprägt, dass es an eine depressive Episode erinnerte. Herr Müller äußerte Bedenken, dass sein quasi “postpsychiatrisch traumatisierter” Zustand auch etwas mit der regelmäßigen Gabe von Depotspritzen mit Zyprexa zu tun haben könnte und dass zumindest ein Teil seiner Symptome auch von der stark dämpfenden Wirkung von Zyprexa herrühre.
Er wollte auch nicht mehr regelmäßig ins Urban Krankenhaus gehen, um dort seine Depotspritzen abzuholen, da das Urban für ihn stark mit sehr negativen Erfahrungen assoziiert war und er zu diesem Zeitpunkt, an dem er sich fast nur in der Wohnung aufhielt und noch sehr eingeschränkt war in seinem Bewegungsradius, auch den Weg als sehr beschwerlich empfand.
Hinzu kam, dass bei ihm dadurch das Gefühl bestand, gar nicht richtig aus der Psychiatrie entlassen zu sein und weiter unter Aufsicht zu stehen.
Ursprünglich war er aber trotz aller Bedenken bereit, weiter Zyprexa zu nehmen, wollte aber das Mittel gerne entweder in einem anderen Klinikum oder bei seiner lokalen Psychiaterin Frau Dr. Kross ambulant verabreicht bekommen. Da das aus diversen medizinischen, bürokratischen und legalen Gründen anscheinend nicht ermöglicht werden konnte, wollte er dann stattdessen gerne das Mittel oral weiter nehmen.
Da Frau Dr. Kross aber nach telefonischer Rücksprache mit Dr. XY vom Urban der Meinung war (ich begleitete ihn zu dem Besuch), er solle unbedingt weiter seine Depotspritzen im Urban nehmen, wollte sie ihm damals, im Dezember, keinen leichten Ausweg mit der oralen Verschreibung von Zyprexa eröffnen.
Daraufhin entschloss sich Herr Müller, allerdings mit gewissen Ängsten vor einer möglichen Verschlechterung seiner Erkrankung, einen Versuch zu unternehmen, Zyprexa ganz abzusetzen. Wären die Bedingungen für ihn angemessener gewesen und wäre man ihm mit seiner Befindlichkeit mehr entgegen gekommen, hätte er wahrscheinlich nicht oder nicht so schnell seine Medikamentierung abgesetzt.
Als Einzelfallhelfer kann ich diese Entscheidungen eines Klienten nur begleiten und akzeptieren, da es mir nicht zusteht, medizinisch zu beraten und die Akzeptanz der Einzelfallhilfe zuvörderst von einer grundsätzlich positiv wohlwollenden Haltung und Respekt vor der Freiheit des Individuums abhängt. Herr Müller hat einen sehr eigenen Kopf und obwohl er bisher immer offen seine Themen mit mir reflektiert, macht er seine Entscheidungen nicht von meinem Rat abhängig, sondern von seinem eigenen Gutdünken.
Mit Frau Doktor Kross konnte aber immerhin im wechselseitigen Einverständnis vereinbart werden, dass sich Herr Müller melden würde, wenn er merken würde, dass es ihm psychisch schlechter ginge oder wenn ich als Einzelfallhelfer das bemerken und Sie informieren würde und dass Sie sich als

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behandelnde Psychiaterin zur Verfügung stellt.
In den folgenden Wochen veränderte sich Herr Müller deutlich. Er wurde sehr viel energetischer und emotionaler. In Gesprächen redete er viel mehr als vorher und war bei bestimmten Themen auch manchmal erregt, aber nicht aggressiv, wo er vorher eher stumpf resigniert oder depressiv war. Grundsätzlich waren Herr Müllers Gedankengänge aber immer kohärent, sinnvoll und für mich nachvollziehbar.
Bei einigen Themen aus der Vergangenheit war (und ist) eine gewisse obsessive Neigung erkennbar sich mit bestimmten Ideen und Personen immer wieder auseinander zu setzen, aber mehr mit dem Wunsch einen Abschluss, ein Loslassen, eine Aufarbeitung zu erzielen, statt mit der Stoßrichtung erneut Projektionen aufzubauen.
Ein positiver Effekt dieser psychischen Veränderung war, dass Herr Müller, mit seinem Mehr an Energie und Wachheit zunehmend in der Lage war, seine Angelegenheiten selbst zu regeln und große Fortschritte dabei machte, sein Leben aufzuräumen und Schritt für Schritt die Voraussetzungen für den geplanten und herbeigesehnten Umzug nach Göttingen zu schaffen.
Herr Müller möchte gerne in den nächsten Monaten in seinen Heimatort Göttingen oder Umgebung ziehen, wo auch seine (getrennt lebenden) Eltern wohnen, da ihn in Berlin nichts mehr hält und er hier (fast) kein soziales Leben mehr hat und er sich durch die Reizüberflutung der Großstadt massiv überfordert fühlt.
Während er zu Beginn der Hilfe die meiste Zeit über alleine zu Hause war und viel Zeit im Bett verbrachte, begann er seit Januar zunehmend auch regelmäßig nach draußen zu gehen. Er macht häufig Spaziergänge und hält sich gerne in der Natur oder in Parks auf, am besten mit möglichst wenig Menschen um ihn herum.
Herr Müller hat den Kontakt mit seinem Bruder, der in Potsdam wohnt, und dessen Tochter, Herr Müllers Nichte, wieder aufgenommen und es gab bereits ein paar Treffen und zwei Fahrten nach Potsdam, die Herr Müller gut bewältigen konnte. Der Kontakt zu seinem Bruder ist ihm wichtig und freut ihn sehr. Leider ist der Bruder aufgrund seiner Verpflichtungen nicht immer ganz zuverlässig mit seinen Vereinbarungen und Zusagen gegenüber Herrn Müller.
Auch der Kontakt zu seiner Mutter, der während des Psychiatrieaufenthalts fast vollständig abgerissen war, besteht wieder, wenn auch noch nur rudimentär.
Herr Müller ist dabei sich Internet (DSL Anschluss) zu besorgen, um damit nach Wohnungen in Göttingen zu suchen. Er ist sich der Gefahren bewusst, sich wieder in politische und soziale Themen und Auseinandersetzungen im Internet zu verstricken und sieht dem Internetanschluss, der wegen technischer Probleme aber noch auf sich warten lässt, mit gemischten Gefühlen entgegen.
Im Verlauf der Hilfe hat Herr Müller angefangen sich von mir Meditation (im Stil der MBSR- Achtsamkeitsbasierter Stressreduktion) beibringen zu lassen, mit dem Ziel den Geist zu beruhigen und mehr kritische Distanz zu den eigenen Gedanken aufzubauen. Wir haben auch gemeinsam ein Tagesseminar zu dem Thema besucht, dass Herr Müller fast bis zum Schluss durchgehalten hat.

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Er wendet diese Methode, die ihm nach eigener Aussage und auch meiner Beobachtung gut zu tun scheint, sporadisch, aber leider noch nicht regelmäßig genug an.
Aktueller Zustand des Klienten:
Herr Müller ist bei guter äußerer Gesundheit und wirkt viel vitaler als letztes Jahr.
Obwohl es klare Fortschritte gibt und auch ein wachsendes Bewusstsein darüber, was in der Vergangenheit schief gelaufen ist (wobei er sich nur teilweise dafür verantwortlich fühlt, er sieht sich auch weiterhin eher als Opfer ungerechtfertigter staatlicher Interventionen), fühlt sich Herr Müller in seiner Fähigkeit zur längerdauernden Konzentration, zur Reizverarbeitung und zur körperlichen Ausdauer immer noch sehr eingeschränkt. Es fehlt ihm auch die innere Ruhe um z.B. seine zahlreichen Bücher zu lesen und er neigt dazu sich eher mit Filmen oder Dokumentarsendungen abzulenken und zu beruhigen.
Er ist innerlich noch immer sehr mit sich beschäftigt und gerät leicht in Stress und starke Angstgefühle, wenn äußerliche Dinge passieren, die Anforderungen an ihn stellen und ihn zum Reagieren zwingen, wie z.B. Post vom Vermieter, Sozialamt, Bank, JC usw..
Bei solchen Situationen wird deutlich, wie stark ausgeprägt die Ängste vor einer potentiell bedrohlich erlebten Gesellschaft noch sind, die ansonsten im Umgang mit ihm weniger deutlich erkennbar sind als zu Beginn der Hilfe, wo sie ein Kernthema waren. Auch neigt Herr Müller bei solchen Anforderungen zu aufschiebendem und verdrängendem Verhalten und braucht noch viel Ermunterung diese Angelegenheiten aktiv zu lösen.
Er ist weit davon entfernt sich einer Arbeitsaufnahme stellen zu können und obwohl er zeitweise davon geredet hatte, dass er gerne einen 1 Euro Job hätte, um sein karges Grundsicherungs- bzw. ALG II Geld etwas aufzubessern und sich Reserven für den Umzug aufzubauen, ist er, meiner Einschätzung nach, noch nicht wieder in der Lage, einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen.
Herr Müller schätzt sich selbst so ein, dass seine psychische Grunderkrankung, in einer hoffentlich milden und kontrollierten Form, wahrscheinlich ein dauerhafter Zustand bleiben wird. Er hat sich vor kurzem, nach einem vereinbarten Gesprächstermin mit ihr (bei dem ich auch teilnahm) von Frau Doktor Kross wieder ein Rezept für Zyprexa (oral) geholt, weniger aus konkretem Anlass, sondern auf dringendes Zuraten von Frau Dr. Kross und vielleicht auch aus dem Wunsch einer Art Rückversicherung, sollte er doch wieder abdriften, ist sich aber noch unsicher ob er es jetzt, in niedrigerer Dosis, wieder regelmäßig nehmen sollte.
Gegenwärtig wünscht Herr Müller seine Autonomie zu stärken und zunehmend selbstständig weitere Schritte zu unternehmen. Sobald er Internet (und damit auch Festnetztelefonie) hat, will er sich intensiv der Wohnungssuche widmen.
Er möchte dann auch telefonisch wieder mehr und regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter herstellen, die auch noch in Göttingen lebt, was im Moment durch einen alten und noch kostenverursachenden Mobilfunkvertrag erschwert ist.

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Ich erlebe Herr Müller im Allgemeinen als angenehmen Gesprächspartner ohne größere Auffälligkeiten. Nur wenn bestimmte Themen aufkommen, die mit seinen alten geistigen Auseinandersetzungen und der Historie seiner Unterbringungen zu tun haben, wird deutlich, dass hier immer noch sehr viel Ärger und Enttäuschung in ihm vorhanden sind und ein generelles Gefühl, unverstanden geblieben zu sein. Bei Gesprächen zu diesen Themenkomplexen wird Herr Müller auch manchmal ein wenig aufgeregt, wenn ich ihn nicht auf Anhieb richtig verstehe oder anderer Meinung bin. Grundsätzlich sind Politik, menschliche Abhängigkeit (Hörigkeit gegenüber der Macht) und Herrschaftsstrukturen in der Gesellschaft, schwierige Themenfelder, die leicht zum gefühlten Dissens und einer leicht angespannten Situation mit Herr Müller führen können. Wenn Herr Müller sich aufregt, kann er durch seine physische Größe und eine gewisse Barschheit der Sprache bedrohlich wirken, aber er ist sich dessen selbst, meiner Ansicht nach, so gut wie gar nicht bewusst.
Positiv ist anzumerken, dass auch diese Art von Gesprächen aber eindeutig immer in einem respektvollen und freundschaftlich gehaltenen Rahmen geblieben sind und nie wirklich problematisch waren. Herr Müller hat eben manchmal eine Art, die man leicht missverstehen kann. Auch sind selbst diese Gespräche durchaus philosophisch interessante Diskussionen, wenn man sich inhaltlich darauf einlässt.
Ich persönlich vermute, aufgrund der Emotionalität und Brisanz dieser Themen für Herrn Müller, auch unaufgelöste, entwicklungsgeschichtliche Familienthemen dahinter und würde ihm von Herzen wünschen, diese, bei Zeiten, in einer guten, aus freiem Willen angestrebten Psychotherapie bearbeiten zu können.
Im Moment wirkt Herr Müller, im Rahmen seiner Möglichkeiten, sehr bemüht sich ein neues Leben aufzubauen. Er denkt viel darüber nach, wie er dieses gerne gestalten möchte und welche Rolle im Leben und in der Gesellschaft er noch ausfüllen will und kann. Er selbst sieht sich zukünftig mehr als Mensch am Rande der Gesellschaft, der relativ bedürfnislos lebt und sich vor allem einem ruhigen und kontemplativen Leben hingibt und stark auf seine innere Ausgeglichenheit achtet.
In diesem Bild äußert sich auch eine Anerkennung der Tatsache, dass er wahrscheinlich nie wieder vollständig von seiner Erkrankung genesen wird, aber dass immerhin eine eingeschränkte aber stabile und harmonische Lebenssituation ein realistisches Ziel ist.
Perspektive und Ziele:
Die Hilfe sollte unbedingt weitergeführt werden, da Sie eine wesentliche stabilisierende Funktion für Herr Müller hat und seinen einzigen wirklich regelmäßigen sozialen Kontakt darstellt.
Auch Herr Müller möchte ausdrücklich eine Weiterführung der Hilfe. Telefonische Aussagen gegenüber Frau Görn, er wolle die Hilfe vielleicht beenden, beruhten auf einer Fehleinschätzung wegen der Zusendung eines Formulars zur Vermögensauskunft und der dadurch entstandenen Angst an den Kosten der Hilfe beteiligt zu werden. Nach Aufklärung über die tatsächliche Unbedenklichkeit der Vermögensauskunft war Herr Müller beruhigt.
Da er aber auch seine Autonomie weiter ausbauen möchte, ist eine leichte Reduktion des

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Stundenumfangs denkbar. Die früher bereits genehmigten vier Wochenstunden scheinen angemessen. Bei weniger Wochenstunden erscheint mir eine Hilfe nicht mehr sinnvoll durchzuführen. Perspektivisch wird Herr Müller in den nächsten Wochen einen Internetanschluss haben und dann hoffentlich auch eine Wohnung in Göttingen finden. Er braucht dazu noch Stellungsnahmen von fachlich dazu qualifizierten Personen, z.B. Frau Dr. Kross, um den Kostenträgern gegenüber deutlich zu machen, dass ein solcher Umzug für ihn psychologisch sehr wichtig und darum finanziell zu unterstützen ist. Bei Beantragung und möglicherweise Widerspruchsverfahren ist er zu unterstützen.
Sein Ziel nach Göttingen umzuziehen, sollte nach Kräften unterstützt werden.
Noch vorhandene konkrete Ängste vor der Bewältigung von nötigen Aufgaben sollten durch Begleitung und gemeinsames Betrachten der Situation handhabbar gemacht werden.
Zur Kenntnis genommen Unterschrift des Klienten:
______________ ________________________________________ - Datum -
Unterschrift der Fachkraft:
______________ ________________________________________ - Datum -
 
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An das
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Amt für Soziales
Yorckstraße 4-11
10965 Berlin
Arbeitsbericht
zur Eingliederungshilfe gemäß §
Name des Klienten: Mark Müller
Geburtsdatum: 01.06.1971
Anschrift: Petersburger Straße 68, 10249 Berlin
Aktenzeichen: Soz. 1408 Mü 010671
Hilfebeginn: 01.12.2017
letzter Bewilligungszeitraum: 01.05.2018-31.03.2019
vereinbarter Stundenumfang: 5 Wochenstunden Zuständig beim Sozialamt: Frau Görn, Soz 1408
Zuständige Fachkraft für die Hilfe:
Martin v. Elm Wrangelstraße 64 10997 Berlin
Kontakt: martinvonelm@online.de, tel. 0179 674 18 58
Berlin, den 5.03.2019
Vorausschicken möchte ich eine Entschuldigung für die späte Abfassung des Berichts. Aufgrund des überraschenden Abbruchs der Hilfe durch Herrn Müller einerseits und andererseits dem Tod meiner Mutter, mit allen Begleitumständen, bin ich erst jetzt dazu gekommen, den Arbeitsbericht zu schreiben.
Verlauf der Hilfe:
Während im vorigen Berichtszeitraum die Stabilisierung und Rekonvaleszenz von Herrn Müller im Vordergrund stand, ging es im letzten Zeitraum vor allem um die Erarbeitung einer Zukunftsperspektive für Herrn Müller.
Herr Müller hatte ja bekanntlich das erklärte Ziel nach Göttingen umzuziehen, da er sich in Berlin schon sehr lange nicht mehr wohl fühlt und auch kaum noch soziale Bindungen hat und hier für sich keinerlei Perspektive sieht. Auch die großstädtische Reizüberflutung empfindet er als teilweise unerträglich und führt darum ein sehr isoliertes Leben. Er würde sich gerne mehr in der Natur aufhalten und auch in Göttingen seiner frisch berenteten Mutter, die einige gravierende gesundheitliche Probleme hat, zur Seite stehen.
Weiterhin wollte er, nachdem er sich von den Nachwirkungen des langen Aufenthalts in der Psychiatrie einigermaßen erholt hatte, gerne einen sogenannten ein Euro Job ausüben, um sich etwas dazu zu verdienen und um etwas sinnvolles zu tun zu haben und einen Alltagsrhythmus nicht zu verlieren. Diese Ziele konnte ich nachvollziehen, gerade auch im Kontext seiner psychischen Erkrankung und fand Sie unterstützenswert.
Die Schwierigkeiten in der Umsetzung sind vor allem ökonomische. Da Herr Müller keinerlei finanzielle Reserven hat und auch nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeitsfähig erscheint, ist er darauf angewiesen, dass ein Umzug amtlicherseits finanziert wird.
Das zuständige Berliner Jobcenter hatte ihm aber über Monate dazu keine Zusage gegeben. Auf Anträge von Herrn Müller wurde nicht oder nur äußerst schleppend und letztlich unverbindlich reagiert. Da eine durch die Arbeitssituation von Herrn Müller begründbare Finanzierungszusage (also z.B. bei Aussicht auf einen Arbeitsplatz) aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht in Frage kam, gab es eigentlich nur die Option einer Genehmigung aufgrund medizinischer Indikation. Diese wurde ja sowohl von Herrn Müllers Psychiaterin, Dr. Kross, als auch dem SpD Kreuzberg als gegeben angesehen, was vom Jobcenter allerdings ignoriert wurde.
Nachdem das Jobcenter über fast ein halbes Jahr wegen des Umzugs nur hinhaltend agiert hatte und anscheinend auch überhaupt nicht in der Lage oder willens war ihm einen geeigneten ein Euro Job anzubieten, wurde Herr Müller verständlicherweise zunehmend ungehalten und drohte mit rechtlichen Schritten. Auch durch die Einschaltung und Intervention des SpD Kreuzberg kam Bewegung in die Sache und das Jobcenter teilte Herrn Müller endlich mit, dass es einen solchen Umzug übernehmen würde. Angeblich wäre eine solche Zusage bereits 2015 erteilt worden und die Zusage sei weiterhin gültig.
Das war erst mal eine gute Nachricht, die dann aber im nächsten Schritt wieder in Frage gestellt wurde, denn das Jobcenter bat Herrn Müller nun zu einer psychiatrischen Begutachtung, um seine generelle Arbeitsfähigkeit und damit die Zuständigkeit des Jobcenters zu klären.

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Herr Müller war erst sehr unwillig diesen Termin überhaupt wahrzunehmen, entschloss sich dann aber doch, mit meiner Begleitung, hinzugehen.
Das Resultat dieser Begutachtung wurde erst vor einer Woche, also Ende Februar bekannt. Das Jobcenter hält Herrn Müller für eingeschränkt auf dem ersten Arbeitsmarkt für arbeitsfähig, aber sieht keine medizinische Indikation für einen Umzug.
Noch bevor dieses Ergebnis bekannt wurde, hatte Herr Müller aber schon im Dezember beschlossen, die Einzelfallhilfe bis Ende Januar auslaufen zu lassen, da er der Ansicht war, dass die Einzelfallhilfe ihn in seinem Anliegen, den Umzug voranzutreiben, zu wenig Unterstützung geben könne.
Es gab keinerlei persönliches Zerwürfnis, sondern Herr Müller anerkannte das für ihn Geleistete und bedankte sich sogar mündlich und schriftlich dafür. Der Umgang miteinander war bis zum vereinbarten Ende der Hilfe Ende Januar 2019 freundlich, kooperativ und angenehm. Die Bewilligung wäre eigentlich noch bis Ende April gelaufen.
Herr Müller meinte einfach, dass die Einzelfallhilfe den Behörden gegenüber keine Autorität hätte und ihm deswegen letztlich auch nicht weiterhelfen könne dabei, sein Ziel zu erreichen. Auch hatte er generell gemerkt, dass es ihm extrem schwerfallen würde eine Wohnung in Göttingen oder Umgebung zu finden, die mit den Hartz IV Sätzen des Jobcenters bezahlbar wäre. Bei seiner monatelangen sehr gezielten und sachkundigen Recherche im Internet, über die einschlägigen Wohnungsportale, konnte er jedenfalls nichts Geeignetes finden. Verschiedene Bewerbungen waren erfolglos.
Aufgrund dessen wurde er zunehmend frustrierter und gab mir im Dezember zu verstehen, dass er die Hilfe nun nicht mehr brauche, da er sein Ziel des Umzugs aufgrund der Widrigkeiten und schwierigen Umstände aufgeben werde. Vorausgegangen war eine Episode von einigen Wochen, in denen Herr Müller deutlich psychotischer in seinem Verhalten wirkte, als ich es sonst von ihm kannte. Er war in seinem Sprachverhalten deutlich inkohärenter und kramte wieder alte stereotype Rachegedanken gegenüber dem von ihm als autoritär erlebtem Gesellschaftssystem heraus, die er aber eher allgemein hielt und nicht auf bestimmte Personen fokussierte.
Glücklicherweise wirkte Herr Müller dann, ab Mitte Dezember auch wieder deutlich klarer und bei sich.
Ich persönlich finde es schade, dass in Herrn Müllers Sicht, der Wert der Hilfe letztlich reduziert wurde auf diese eine Funktion der Umzugshilfe. Tatsächlich fand ich selbst vor allem die Kommunikation und die menschliche Anbindung als wichtig und psychisch stabilisierend und durchaus gegenseitig bereichernd. Ich halte das alleine und isoliert leben für krankheitsfördernd.
Besonders beunruhigend finde ich das Fazit von Herrn Müller, dass er, nachdem seine Umzugspläne ja gescheitert wären, jetzt noch mal ein Jahr ganz bewusst leben und soweit möglich genießen wolle, um dann seinem Leben ein Ende zu setzen. Das wie und wann wurde dabei nicht näher definiert, es gab aber Andeutungen, soweit ich Sie nicht missverstanden habe, dass das vielleicht wieder im Rahmen eines erweiterten Suizids geschehen könne, also in Verbindung mit einem Rache nehmen an von ihm als feindlich bzw. bestrafenswert empfundenen Personen.
Es erscheint mir, dass solange es eine positive Zukunftsvision gab, sich Herr Müller von solchen aggressiven Gedanken einigermaßen distanzieren konnte und es auch einen halbwegs tragenden

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Entschluss gab, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich auf die Zukunft und die Entwicklung inneren Friedens zu fokussieren.
Allerdings versteht Herr Müller dieses konstruktiv friedliche Verhalten nicht als ethischen Wert an sich und für sich selbst, unabhängig von äußeren Umständen, sondern als Teil eines Handels, den er mit der Gesellschaft eingeht: Wenn die Gesellschaft ihn unterstützt und ihn gut behandelt, verzichtet er auf die von ihm als grundsätzlich legitim empfundene Gewaltausübung. Für Herr Müller ist es sehr wichtig zu zeigen, dass er sich nicht zum Opfer machen lässt und sich von ihm als autoritär empfundenen Institutionen nicht einfach unterwirft, sondern ihnen auf Augenhöhe als freies Individuum begegnet. Sein Aggressionspotential ist dabei für ihn so etwas wie das Gewicht, das er in die Waagschale wirft oder auch seine Verhandlungsmasse.
Leider verkennt er dabei meiner Meinung nach das unpersönliche Wesen mancher gesellschaftlicher Systeme und nimmt vieles sehr persönlich, was letztlich nur ein Mechanismus ist, in dem die handelnden Personen keineswegs ihm persönlich Böses wollen, sondern nur im Rahmen ihrer Funktion verantwortlich zu handeln versuchen.
Ich empfehle dringend, dass von verantwortlicher Seite mit Herr Müller weiter proaktiv das Gespräch gesucht wird, um Perspektiven zu entwickeln und speziell ab Herbst des Jahres auf die Suizidalität zu achten. Einem Gespräch mit dem Sozialpsychiatrischem Dienst Kreuzberg stand er nach meinem letzten Stand weiterhin positiv aufgeschlossen gegenüber. Es wäre sicher hilfreich, wenn ein solches Gespräch sich nicht ausschließlich um Gefahrenabwehr und Medikamenteneinnahme drehen würde, sondern auch um Alternativen zur jetzigen Lebenssituation und denkbare Hilfestellungen.
Ich würde persönlich ein betreutes Einzelwohnen in natürlicher Umgebung, außerhalb von Berlin oder in einem Randbezirk, für einen denkbaren Weg erachten. Auch eine Kur oder andere Rehamaßnahme wäre vielleicht denkbar.
Wäre ich Herr Müller, würde ich vielleicht auch einfach versuchen sich bei seiner Mutter, mit ihrem Einverständnis, als dort in Göttingen wohnhaft anzumelden und vor Ort nach Wohnung und Job zu suchen und mit dem dortigen JC zu verhandeln. Vielleicht könnte ja auch seine Mutter selbst Kontakte aktivieren und über Beziehungen etwas finden. Da Herr Müller seinen Besitzstand sehr reduziert hat ließe sich ein Umzug auch sehr einfach und kostengünstig realisieren. Meine aktive Unterstützung dabei (z.B. als Fahrer Umzugswagen) würde ich ihm auch unentgeltlich, als ehrenamtliche Hilfe aufgrund persönlicher Sympathie zukommen lassen.
Zustand des Klienten:
Herr Müller hatte im Verlauf des Berichtszeitraums seine Medikation zuerst abgesetzt und dann doch wieder aufgenommen. Er nahm zuletzt oral Cyprexa und/oder Olanzapin in Dosis 10 mg/T .. nach seiner Aussage. Er ist mittlerweile für die Verschreibungen zu der Allgemeinärztin Dr. Klee ( Straßmannstraße 23, 10249 Berlin, tel. 030 4275627) gewechselt, nachdem er sich bei der Psychiaterin Dr. Kross in seinem Anliegen dem Jobcenter die Notwendigkeit eines Umzugs zu vermitteln nicht ernst genommen gefühlt hatte.
Herr Müller hat in dem Berichtszeitraum erkennbar abgenommen. Er ernährt sich eindeutig nicht

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ausreichend und raucht viel. Subjektiv würde ich ihn bei seiner Größe als leicht untergewichtig einschätzen. Er selbst konstatierte bei sich einen schleichenden Verlust an körperlicher Leistungsfähigkeit. An sich erscheint er aber dem Laienblick nach körperlich gesund zu sein.
Im Verlauf der Hilfe hatte er für mich erkennbar eine Episode von etwa vier Wochen mit vermehrt psychotischem Verhalten im November und Anfang Dezember 2018. Er wirkte dabei im Umgang lauter und agitierter als üblich und war schwer zu beruhigen. Die Gedankensprünge und Assoziationen waren teils schwer nachzuvollziehen. Besonders im schriftlichen Austausch fiel das auf.
Er kehrte dann aber recht schnell wieder zu einem klareren und kohärenteren Zustand zurück, vielleicht durch die erneute bzw. erhöhte Einnahme von Olanzapin bzw. Cyprexa, vielleicht auch durch eine neu gewonnene innere Entscheidung und Klarheit. Herr Müller scheint durchaus ein Gefühl dafür zu haben, was er an Medikation braucht, um sich psychisch stabil zu fühlen.
Ich erlebte Herrn Müller in den letzten Monaten überwiegend als sehr wach und intellektuell auf der Höhe. Seine hohe logische Intelligenz zeigte sich z.B. im gemeinsamen Schachspiel, in dem er trotz wenig Übung auf sehr gutem Niveau spielte und sich im Laufe der Hilfe stark verbessern konnte. Schizophrenietypische Denk- und Sprachmuster erlebte ich teilweise bei bestimmten, sehr emotional besetzten Themen aus der Vergangenheit und vor allem des öfteren in emails an Behörden oder einzelne Personen. Angebote von mir Formulierungshilfe zu leisten, um eine bessere Akzeptanz seiner Anliegen zu erreichen, wurden nur gelegentlich angenommen.
Insgesamt konnten wir uns immer gut, vernünftig und sachlich über alles austauschen.
Fazit:
Obwohl die psychische Grunderkrankung von Herr Müller bei näherer Betrachtung evident ist, spielt es für seine Entwicklung meiner Meinung nach trotzdem eine große Rolle, wie die äußeren Bedingungen dabei für ihn sind. Er erkennt selbst sein großes Bedürfnis nach Rückzug, in Ruhe gelassen werden, Natur und Freistellung von überfordernden Ansprüchen.
Herr Müller ist dabei keineswegs faul, er wäre gerne tätig und arbeitet im ihm möglichen Umfang und Rahmen gerne. Die Einschätzung des JCs, dass er bedingt sogar für den ersten Arbeitsmarkt einsatzfähig wäre, halte ich allerdings für eine glatte Fehleinschätzung, basierend auf einem oberflächlichem kurzem Kontakt ohne ausreichende Kenntnis und Würdigung seiner Historie.
Ich bedauere, dass man ihm nach seiner Entlassung kein umfassenderes rehabilitatives Angebot machen konnte und dass vor allem das Jobcenter quasi völlig darin versagt hat mit seinem Fall auch nur annähernd professionell oder kompetent umzugehen. Ich hatte den starken Eindruck, dass das JC als Institution mit dem Problem einer psychischen Erkrankung dieser Ausprägung völlig überfordert war und auch nicht interessiert war, damit angemessen umzugehen.
Ich hoffe sehr, dass Herr Müller einen besseren Weg als den Suizid oder eine erneute Einweisung aufgrund aggressiven Verhaltens findet. Ohne weitere Hilfestellung erscheint dies aber leider als wahrscheinlicher Ausgang.
Ich wünsche Herrn Müller alles Gute für die Zukunft und stehe auch weiterhin zur Verfügung, wenn es Sinn machen könnte und von ihm gewünscht oder zumindest akzeptiert wäre.

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Mit freundlichen Grüßen, Martin v. Elm
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